Nano-Bio-Info-Cogno oder die Verbesserung der
Menschen
Florian
Rötzer 15.07.2002
Ein Bericht der National Science Foundation kündigt
eine neue Renaissance durch verschmelzende Technologien an, mit
denen alles, vor allem aber der Menschen, besser, d.h.
leistungsfähiger wird
Die USA sind doch noch das Land, in dem
die (technischen) Utopien gedeihen und der Fortschrittsglaube
ziemlich ungebrochen die Orientierung vorgibt. Geht es technisch
voran, so scheint der "american dream" zu lauten, so wird es mit
allem anderen automatisch besser. Technische Revolutionen sind
gesellschaftliche Reformen, weswegen man bei letzteren also lieber
konservativ wartet, bis die bessere Technik diese von selbst
bewirkt. Jetzt hat die National Science
Foundation gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium einen
entsprechend techno-optimistischen Bericht über die
Zukunftstechnologien vorgelegt, mit denen sich bereits in den
nächsten beiden Jahrzehnten der Mensch in seiner Leistung
perfektionieren könnte. Versprochen wird ein mächtiger Schritt in
eine bessere Zukunft durch eine neue Renaissance in Wissenschaft und
Technik.
|
|
|
|
|
|
Ende des letzten Jahres hatten sich auf Geheiß der National
Science Foundation (NSF) und des Wirtschaftsministerium zahlreiche
Wissenschaftler getroffen, um der Politik die technologische Zukunft
schmackhaft zu machen und ihr Orientierung zu geben, in was sie Geld
investieren müsse, damit die USA bei der nächsten Etappe der
Menschheitsgeschichte die Nase vorne behalten. Es ging darum, wie
der Mensch geistig und körperlich, als Individuum und als Mitglied
einer Gruppe durch Technik verbessert werden könne. Die Leistungen
zu steigern, liegt wahrscheinlich schon im egoistischen Interesse,
um in der Konkurrenz nicht unterzugehen, zugleich steigert eine
verbesserte menschliche Leistungskraft aber auch die "Produktivität
der Nation".
Und die Aussichten sind groß, wenn die vier wichtigsten neuen
technowissenschaftlichen Gebiete - Nanotechnologie, Biotechnologie,
Informationstechnologie und Kognitionswissenschaft - stärker
verbunden werden oder gar miteinander verschmelzen. Vereint werden
sie, so das Versprechen, große Verbesserungen der "menschlichen
Fähigkeiten, der gesellschaftlichen Leistung und der Lebensqualität"
bewirken - und natürlich auch der nationalen Sicherheit, d.h. dem
Militär, Vorteile bescheren. Um das alles eingängig zu machen,
erhielten die konvergierenden Technologien erst einmal eine
Abkürzung, nämlich NBIC für Nano-Bio-Info-Cogno.
An der Schwelle zu einem Goldenen
Zeitalter
Die mit den konvergierenden Technologien einhergehende "neue
Renaissance" stehe zwar unmittelbar bevor, aber sie komme höchstens
sehr langsam von unten zustande, weswegen sie aktiv gefördert werden
müsse. Überdies müsse man sich beeilen, den Nutzen der neuen
Technologien möglichst schnell zu erschließen, da das "Weltsystem"
in den letzten Jahren wirtschaftlich und politisch instabil geworden
sei: "Wenn es uns nicht gelingt, mutig die Entwicklungsrichtung
festzulegen, können wir die Opfer einer unvorhersehbaren Katastrophe
werden. Es müssen neue Wege für alle großen wissenschaftlichen,
technologischen und gesellschaftlichen Aktivitäten erschlossen
werden."
Wenn die Verheißung mit der Katastrophenvermeidung nicht genügend
beeindruckt, dann wird im Bericht noch ein Argument nachgeliefert,
das zur Eile mahnt. Da grundsätzliche Forschung mindestens zehn
Jahre benötige, bis sie in "Technologien, Wirtschaftszweigen und
Lebensweisen" umgesetzt werden kann, müsse man jetzt beginnen, die
Weichen zu stellen, wenn wir noch in "unserer eigenen Lebenszeit"
davon profitieren wollen.
Das ist dann doch überzeugend für den Gang in das angekündigte
"Goldene Zeitalter". Und sollte es irgendwelche Bedenkenträger für
die technische Verbesserung des (amerikanischen) Menschengeschlechts
geben, dem versichern die Konvergenzwissenschaftler, dass sie nur
nach Strategien suchen, um die "menschlichen Werte zu erhalten und
zu verbessern", die menschliche Würde bliebe davon unbeeinträchtigt:
"Die Wahrnehmung der technologischen Veränderungen, die das Wesen
des Menschen bewahren, werden sich mit der Zeit weiter entwickeln,
beispielsweise die wachsende Akzeptanz medizinischer Implantate,
aber sie dürfen nicht die Grundlagen des menschlichen Lebens und der
Ethik verändern." Das ist natürlich schön gesagt, aber gentechnische
Manipulationen oder neurotechnologische Implantate etwa zur direkten
Kommunikation zwischen Gehirn und Maschine dürften gleichwohl das
Wesen des Menschen, die condition humaine, tiefgreifend verändern.
Aber darum ging es dem Bericht auch weniger. Er will vor allem
eine Vision des wissenschaftlich-technischen Fortschritts bieten,
der innerhalb der nächsten beiden Jahrzehnte bei entsprechender
Förderung der "synergetischen Kombination" von
Nano-Bio-Info-Cogno erreichbar wäre. Die große Vision ist,
dass mit der technologischen Konvergenz auch eine der Menschen
zustande komme, so dass Frieden und Wohlstand einzieht. Leitend
könnte hierbei das Bild einer Menschheit sein, die "zu einem
einzigen transzendenten Nervensystem, einem vernetzten 'Gehirn', auf
der Grundlage von neuen zentralen Verbindungen der Gesellschaft"
werde.
Direkte breitbandige
Schnittstellen zwischen Gehirnen und Maschinen
Natürlich wird die ganze Technik umweltfreundlicher, Maschinen
und Häuser mit den "genau erwünschten Eigenschaften" passen sich
wechselnden Situationen an, Fabriken werden zu "intelligenten
Umgebungen", die Landwirtschaft steigert Erträge und vermeidet
Umweltbelastungendurch "Netzwerke mit billigen Sensoren", der
Verkehr wird "sicher, billig und schnell" mit überall vorhandenen
Echtzeit-Informationssystemen, im Weltraum werden neue Stützpunkte
errichtet und Bodenschätze auf dem Mond und dem Mars abgebaut, die
Kreativität und Lernfähigkeit der Menschen wird sprunghaft zunehmen
und die Möglichkeit, das Genom von Menschen, Tieren und Pflanzen zu
verändern, wird dem Wohlergehen des Menschen zugute kommen.
Natürlich wird es bald Schluss sein mit vielen geistigen und
körperlichen Krankheiten und Folgen des Alterns, während die
menschlichen Körper "haltbarer, leistungsfähiger, leichter
wiederherzustellen und widerstandsfähiger" werden. Überall auf der
Welt haben die Menschen Zugriff auf Informationen, die für sie
maßgeschneidert sind. Sie können über alle Grenzen hinweg
kommunizieren und kooperieren. Die Roboter und Agenten funktionieren
wie die Menschen, weswegen sie diesen besser helfen können. Und dann
leben sie auch noch sicherer, wenn es die "leichten
informationsreichen Kampfsysteme, leistungsfähige unbemannte
Kampffahrzeuge, smarte Materialien, unverwundbare Datennetzwerke,
überlegene Datenbanken für die Aufklärung und wirkungsvolle Mittel
gegen biologische, chemische, radiologische und nukleare Angriffe".
Die sich verkleinernden Computer, Sensoren und Effektoren sollen
aber nicht nur möglichst die ganze Welt zu einer
Informationsumgebung machen, während der Mensch durch permanenten
Anschluss ans Netz zu einem Knoten wird, sondern die Wissenschaftler
sehen offenbar auch Attraktives in "schnellen breitbandigen
Schnittstellen zwischen dem menschlichen Gehirn und Maschinen", die
dann die "Arbeit in Fabriken, das Lenken von Autos, die
Überlegenheit von militärischen Fahrzeugen verändern und neue
Sportarten, Kunstformen und Interaktionsweisen zwischen Menschen
ermöglichen".
Das Gehirn ist die "final
frontier"
Vorgeschlagen wird dazu beispielsweise erst einmal ein dem
Humangenomprojekt vergleichbares "Humankognomprojekt". Der Geist
oder das Gehirn ist nämlich die "final frontier". Hat man einmal
alle Strukturen und Funktionen des menschlichen Gehirns erfasst,
dann könnte man an die kognitive Verbesserung gehen, vor allem aber
Technologien entwickeln, die am besten für die Steuerung durch
Menschen geeignet sind. Sind die Menschen leistungsfähiger und
klüger, dann könnte auch wiederum der wissenschaftliche und
technische Fortschritt schneller erfolgen. Gut wären nicht nur
Technologien, die die Kommunikations- und Wahrnehmungsfähigkeiten
der Menschen erweitern, sondern auch direkt mit dem Gehirn
verbundene Systeme, beispielsweise um Daten zu speichern. Auch
Schnittstellen, die Gehirne direkt miteinander verbinden, könnten
die Leistungskraft der Menschen verbessern. Möglicherweise wären
Schulen und Bücher mit "Instant Learning" gar nicht mehr notwendig,
wenn man nur noch eine Wissensdatei ins Gehirn laden muss: "Get a
PhD in Mathematics with 'one click'."
Mikroelektronische, nanotechnologische oder biotechnologisch
entwickelte Systeme könnten schon ab der atomaren Ebene für die
Verbesserung der Menschen sorgen. Allerdings müsse man auch mehr
wissen, wie man die Bedürfnisse, Gefühle, Einstellungen oder Werte
der Menschen in die ungezählten Systeme in allen Größenordnungen
übersetzen könne, die "in Zukunft unsere künstlichen Diener" sein
werden. Besser verstehen müsse man auch, wie sich die Persönlichkeit
des Menschen durch die stets persönlicher werdenden Maschinen
verändert. Schaden würde es wahrscheinlich aber auch nicht, das
Vertrauen der Menschen in die Nano-Agenten, die selbstorganisiert
und autonom in ihre Körper einziehen, oder in all die intelligenten
Systeme zu fördern, die - unserem direkten Zugriff und zunehmend
überhaupt der Kontrolle entzogen - uns fortwährend beobachten, um
uns selbständig zu "helfen" oder ihren Tätigkeiten nachzugehen. Dass
wir dazu noch nicht recht imstande sind, mag der Flugzeugunfall über
dem Bodensee gezeigt haben, bei dem die russischen Piloten lieber
dem falschen Vorschlag des Lotsen als den Weisungen des
Anti-Kollisions-Systems Folge geleistet hatten.
Die Zukunft aber wird schön, will man dem Bericht glauben,
zumindest wenn man den richtigen Weg in die konvergierende Zukunft
einschlägt und sich nach dem "reinen und einfachen Gefühl" der
Hoffnung auf die Herstellung neuer Gene, Kapazitäten, Organe,
Schnittstellen, Materialien oder Agenten ausrichtet. Jetzt geht es
nur noch darum, alles so schnell in die Gänge zu bringen, dass wir
auch noch etwas davon haben ...