Wenn die gesellschafliche Gemengelage zum dystopischen Absurditätenzirkus wird, tendiert fast jeder Text, der das Tagesgeschehen zu fassen versucht, zur satiregetränkten Glosse, so auch dieser. Die dekretierte „neue Realität“ ist nur noch unter dem Signum der Komik zu ertragen.
Ein Großmeister spöttischer Rede, Eckhard Henscheid, legte 1993 das lexikalische Werk Dummdeutsch vor, worin er entsprechende Begriffe lustvoll parodierend paradieren ließ.
Zu den ewigen Superlativen der Akte Dummdeutsch gehören die 3 oben genannten, quasi die 8000er der Dummdeutscherei. Dumm, dümmer am dümmsten. Von Regierungsapologeten -in älterer Terminologie Journalisten genannt- in den totalen Exzess deliriert, gehören die 3 Dummunddoofheitssingularitäten zum dekadischen Medienartilleriedauerfeuer. Der gequälte Mainstream- Restleser kann einen Hunni darauf wetten, dass kaum eine Ausgabe der diversen Konzernquatschitätsmedien ohne eines der 3 V auskommt.
[Bild / Quelle: The Gowrie Conspiracy; engraving by Jan Luyken (1649-1712). Commons Wikimedia]
Im Gegensatz zum englischen conspiracy (oder dem französischen complotisme) sind die 3 V im Deutschen von finsterer Metaphorik. Man sieht geradezu dunkle Wesen spinnenhaft in lichtlosen Kammern munkelnde Schwüre absondern. Die 3 V suggerieren die Aufladung des Bösen an und für sich. Kurioserweise sind gerade die Personengruppen, die in den staatstragenden Medien als Triple-V immun gelten, nämlich Politiker, Richter und Beamte an Schwur und Amtseid gebunden.
Obwohl das englische conspiracy in der journalistischen Alltagssprache der „systemrelevanten“ Verlautbarungsredakteure in UK und USA ebenfalls durchweg negativ besetzt ist, gibt sich die etymologische Bedeutung des lateinischen conspirare eher neutral. Spirare steht für atmen, hauchen, begeistert sein, dichten, leben. Conspirare für übereinstimmen, einig sein, zusammen wirken. Wir haben hier demnach Mit-Atmende, einer Sache oder einem Projekt begeistert Verbundene. Konspiration in diesem neutral-etymologischen Sinne liegt in einem dynamischen Feld zwischen einer Regierungspraxis von relativ wenigen, die sich als Repräsentanten des grundgesetzlichen Souveräns (der Bevölkerung) als usurpierende, parasitäre Souveräne (1) präsentieren und dem Widerstand von relativen Minderheiten, die numerisch bisweilen mächtiger sind, als sie scheinen. Personen, die sich noch einen Widerstandsrest gegen staatliche Zu- und Übergriffe erhalten haben, die die Nötigungen des Fürsorgeregimes als körperliche Zumutung erleben, sind eher dem conspirare der zweiten Gruppe verbunden.
Beim perpetuierten Aufguss der 3 V liefert der journalistische Regierungsverlautbarungspöbel den seichten Restbestand einer Totalverweigerung von Denkansätzen, ein Abducken, das noch nicht einmal Spektakel und Simulation zu bieten vermag. Nur Ermüdung. Aber die rotationsfeste Wiederholung des Immergleichen verfehlt doch nicht seine Wirkung in den Synapsen der untertänigst Staats- und/oder Virusgläubigen.
Der reale Kern: die politische Willensbildung
Was die blutarmen Verkünder der 3 V nicht verstehen wollen oder können, ist der komplexe Prozess politischer Willensbildung. Denn sie hat durchaus immer etwas von einem conspirare im etymologisch ursprünglichen Sinne. Die Agenten des politischen Diskurses, egal ob „oben“ oder „unten“, sind eingebunden in ein oszillierendes Geschehen von Begehren, Willenskräften, Wunschmaschinenflotten, echten, geheuchelten oder unklaren Betroffenheiten, Mäßigungen und Verlangsamungen, Wiederholungen, Strategemen, taktischen Finten, Simulationen und fast immer auch systemischen Ermüdungen (2). Dieses durch und durch thymotische Feld, mitsamt seinen wilden Rändern, ist durchdrungen von einem allgegenwärtigen conspirare.
Die politische Willensbildung als mäandernde parole der Akteure, die die Narrative und Meme setzt, erfindet, modelliert, festigt, schleift, durchhält oder einfach repetiert ist das eigentliche Rätsel der res publica.
Die 3 V suggerieren meist ein hohes Maß an Planbarkeit und Nichtzufälligkeit klar definierter Aktionen einer homogenen, streng verwobenen, überschaubaren Gruppe. Eine solche Gemengelage können heutzutage nur sehr diszipliniert auftretende, terroristische Vereinigungen, militärische oder polizeiliche Spezialeinheiten und Geheimdienste in Stellung bringen. Im politischen Alltag und im Zuge des diskursiven Willensbildung reicht für epochemachende Umstürze und Revolutionen schon viel weniger. Es reicht die alltäglich sich in Gesprächen, Diskursen, Diskussionen, Weisungszusammenhängen, Planungspapieren sich etablierende politische Willensbildung. Und das seit jeher.
Ein Herr Marx aus Trier schreibt einen Text. Die Herren Lenin, Stalin und Mao finden Gefolgsleute und machen daraus historische Wirklichkeit für Millionen. Und es finden sich Legionen von echten und halbechten Intellektuellenknechten, die den dialektischen Materialismus als strenge Wissenschaft repetieren. Die Wärter-, Greifer-, Geifer- und Denunziantentypen, die Schläger, Sadisten und Hecheljournalisten werden zu unabdingbaren Multiplikatoren. Und es findet sich auch immer eine intellektuelle und wissenschaftliche Elite, die entweder voll Elan mitmarschiert oder zumindest kritiklos sich mitnehmen lässt. Über die Jahrhunderte und Jahrtausende ist es immer wieder ein spezifisches Figurenensemble, das bei Mobilmachungen aufblüht.
Ein gemeinsames Narrativ, ein paar unhinterfragbare Universalien, das große Schweigen über Details, vieldeutige Phrasen der sogenannten Führungselite und freiwilliger oder erzwungener Gehorsam der großen Masse, sowie deren geschichtskonstante Trägheit reichen für schwindelerregende Umstürze (von oben). Und ein behauptetes bonum im Bewegungskern der Beseelten, Gläubigen, Überzeugten findet sich immer. Primitivste, leicht durchschaubare Lügen, Lücken und Dogmen zeigen sich in erratischer, selbst stabilisierender Vernetzung.
Niemand braucht die 3 V zu bemühen, es reicht einfach nur den status quo als die entstandene Realtragödie im Hier und Jetzt zu konstatieren. Man sehe zum Beispiel das Abstimmungsverhalten der Parlamentarier am 25.3.2020, dem schwarzen Mittwoch der nachkriegsdeutschen Parlamentsgeschichte, der Tag, an dem die Damen und Herren „ein Infektionsgeschehen nationaler Tragweite“ dekretierten und die Notstandsgesetze ohne eine Gegenstimme verkündet wurden. Es genügt, die Protokolle dieser Sitzung zu lesen. So etwas ist eben keine Verschwörung, es ist „nur“ das dystopische Ergebnis eines neoliberal-biopolitischen Narrativs katastrophisch handelnder Staatschefs, die im Schatten der selbstgeschaffenen Zerstörung eine neue Realität initiieren (The Great Reset) und einer mut- und ideenlosen parlamentarischen Gefolgschaft, deren Mitläufertum tatsächlich erschreckend war und ist. Sekundiert wird diese Selbstaufgabe des ParteisoldatInnenparlaments von Systemmedien, die um Regierungsnähe buhlen, für die baldige mediale Grundsicherung durch die öffentlich-rechtliche Zwangsabgabe, auf dass mit den 3 V zukunftssicher, tagtäglich weiter gedummdeutscht werden kann.
(1) „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“ , Carl Schmitt.
(2) Ermüdungen aus ästhetischen oder psychosozialen Gründen: denn wer ertrüge auf Dauer solche Flagellanten der Angst und Selbstisolierung aus dem Figurenkabinett der Realsatire: die L’s, S’s, M’s und viele andere einer politischen Klasse, die sich bewusst oder unbewusst einer historisch einmaligen Revolution von oben andient. Und es ist nicht nur die 4. industrielle Revolution, die Charles Schwab beim WEF ausgerufen hat.